Juri W. Lenzen

Malerei — Lyrik – Bildhauerei

Textfeld: Tage in Violett
ohne Blutschrift
am Firmament
viel zu lang
zur Versöhnung
Die wenigen Zeichen
in Lehm geritzt
unbedeutend
Dank dem Regen
er löscht
nicht nur Feuer
Zu wenig für eine Liebe
zu viel für den Wind
er kann sie
nicht lesen
Tage in Violett

Lyrikauswahl

Gedichte 1995 -98

1998, Läänsen Verlag
ISBN 3-00-002671-1

PROLOG von Ekkehard Blattmann

Lyrischer Leib — erotischer Leib

Wer Lyrik liest und liebt, wird nie zur Ruhe kommen über der Frage, was ihr Wesen sei, und er wird ihr deshalb auch in immer neuer Gestalt begegnen.

In Juri Lenzens Gedichtband ist ein ganz eigener lyrischer Kosmos zu entdecken und zu durchreisen. Dieser Kosmos lebt aus seiner lyrischen Leiblichkeit. Das körperlich, sinnlich, gefühlshaft und geistig Erlebte verschmilzt in dieser Lyrik aufs innigste und ist ein Leib.

Das Zentrum dieser leiblichen Lyrik ist der allmächtige Eros. Von ihm ist alle Welterfahrung, Liebeserfahrung, Todeserfahrung, wovon die Gedichte zeugen, durchdrungen und durchglüht. Eros ist die Zentralsonne dieser Gedichte. Ihre Anordnung — Liebe, Selbstreflexionen, Landschaften und Weltsichten — bringt den Eros in immer neuer Kolorierung zur Wirkung.

Wo immer in den Liebesgedichten der Liebende von der Geliebten und zur Geliebten selber spricht, redet er als ein vom Eros Bezwungener, ja als ein Stigmatisierter. Die Geliebte wird begehrt. Die sensuellen Bilder kommen ohne Scham daher und wahren doch das ganz persönliche Geheimnis.

Ich und du verschmelzen immer wieder im Einswerden und Einssein. Lebenslust und leise vorweg genommener Tod gehen Hand in Hand. Gesten, Augenblicke, langer Jahresumlauf; grenzenlose Meeresweite, Träume, Paradieses-sehnsucht, Kosmisches sind intensive Metaphern der Liebe. Die Zeit unterminiert das Glück. Eros bindet und löst in dialektischer Bewegung die erfüllten und die unbegnadeten Stunden der Liebenden.

Die Gedichte der Selbstreflexionen kehren bis in die Angstwelt der Kindheit zurück, berufen den Zerfall des Ichs und Zeiten früher Verzweiflung. Ebenso zeigen sie das Altern des Körpers an, der dennoch nicht der Liebe abschwört, und sie tauchen in die Welt des Schlafes und halben Wachens hinab und verteidigen das Leben in „großen Schlucken“.

Die Gedichte der Landschaften vergegenwärtigen Reiseerfahrungen der Liebenden in den Vogesen, in der Toscana und auf Fünen. Aber diese Orte sind im Grunde sensuelle Topographien erotischer Erfahrungen und Augen-Blicke.

Denn all diesen Landschaften sind die Gesten und Gefühle der Geliebten eingeschrieben. Ebenso werden die Drehung der rastlosen Zeit, die Vegetation und das kulinarische Lokalkolorit, die Häuser der Geborgenheit, die Berghänge voller Todesverschattung und die moderne Gerätewelt zu Zeichen der erotischen Lebenserhöhung im Spiegel der Vergänglichkeit.

Die zu Weltsichten gebündelten Gedichte fassen am Augenblick die stete Unbeständigkeit aller Lebensliebe und schließen auch das groteske körperliche Verschwinden mit ein. Die Vergänglichkeit macht den Augenblick der Liebe unendlich kostbar.

Es ist die den Leser berückende Leistung des Dichters Juri Lenzen, diesen ganzen erotischen, helldunklen, leibhaftigen Sinnenkosmos in unpreziöser, variablen, freier Form und in einem fast beiläufigen natürlichen Tonfall zu sagen und vorzutragen.

Wer je vom Eros gebannt und gebrannt wurde, darf sich der Selbstöffnung und Selbstentblößung dieser Gedichte anvertrauen. Er wird sie als wahr erfahren, und er wird darin seine eigene Liebeswahrheit leibhaftig wiederfinden.

 

LESEPROBEN ...

 

 

 

 

 

Textfeld: Wenn du einsam bist
komm herein
der Fußboden knarrt
auch ich dämpfe die Stimme
das leiseste Wort
spricht der Feigenkaktus
Laß uns das Pochen erörtern
Textfeld: Herbstfeuer im Elsaß

Das Tal noch im Nebel
oben der Hobuhl*
sonnendurchwirkt
liegt das Hochland
mit Moos
Seitab der Heide
Feuer in Auge und Stein
Unten im Nebel
ein Zimmer zur Nacht

Das Plakat zur Buchveröffentlichung ...